Winterstarre bei Reptilien - Was muss aus tierärztlicher Sicht beachtet werden
Reptilien sind wechselwarme Tiere, das heißt sie können selbst ihre innere Körpertemperatur nicht regulieren und sind daher von äußeren Witterungsbedingungen abhängig. Die Winterstarre ist ein alljährlich wiederkehrendes und physiologisches Ereignis im Leben einiger Reptilien . Dabei fahren sie ihren Stoffwechsel und ihre Organfunktion auf ein Minimum herunter und sind daher auch anfälliger gegenüber Infektionskrankheiten. Vor, während und nach dieser Phase völliger Inaktivität müssen einige Dinge in der Haltung beachtet und berücksichtigt werden.
Um die Winterstarre richtig durchzuführen, muss der Reptilienhalter sich zunächst über die ursprüngliche Herkunft des von ihm gehaltenen Tieres und den dort vorkommenden klimatischen Verhältnissen informieren. Zuerst muss jeder sich erstmal die Frage stellen: Benötigt mein Tier überhaupt eine Winterstarre? Im Allgemeinen gilt, dass Reptilien, die aus gemäßigten Klimazonen mit jahreszeitlichem Rhythmus stammen, eine Winterstarre natürlicherweise durchführen. Nun stellen sich viele Reptilienbesitzer eine weitere Frage: Muss eine Winterstarre unbedingt sein? Die rhythmische Lebensweise, welche von den Jahreszeiten bestimmt wird, ist in erster Linie für den Fortpflanzungszyklus notwendig. Neben der Regelung des Hormonhaushaltes und einzelner Stoffwechselprozesse (z.B. Abbau von Fetteinlagerungen, die sonst ggf. nicht abgebaut werden) sorgt die Winterstarre auch für ein höheres Wohlbefinden, eine bessere Gesundheit und eine höhere Paarungsbereitschaft. Im Gegensatz dazu kann eine nicht artgemäß durchgeführte Winterstarre auch zu negativen Folgen für die Gesundheit führen. Deshalb ist es entscheidend, sich im Vorfeld ausführlich über Art, Lebensweise und letztendlich Durchführung der Winterstarre zu informieren.
Für alle Reptilien gilt gleichermaßen, dass die Winterstarre eine gewisse Vorbereitungszeit benötigt. Zur Vorbereitung auf die Überwinterung werden die Temperatur und das Licht schrittweise über ca. 3 Wochen reduziert. Die Fütterung wird eingestellt, Trinkwasser sollte aber weiter zur freien Verfügung stehen. Dies trifft bei Schildkröten, Echsen und Schlangen zu. Für Schildkröten und Echsen ist es sinnvoll, zusätzlich Bäder in lauwarmem Wasser durchzuführen, um den Darm vor der Winterstarre weitgehend zu entleeren. Es ist empfehlenswert, die Tiere etwa 2 Monate vor der Winterstarre zum Gesundheitscheck beim Tierarzt vorzustellen und den Kot auf eventuelle Darmparasiten untersuchen zu lassen. So kann vermieden werden, dass sich während der Winterstarre Erreger im Körper der Reptilien vermehren und zu gesundheitlichen Problemen führen. Dieser Zeitraum ist ausreichend, um beispielsweise eine diagnostizierte Parasitenbefall zu behandeln und nicht in Zeitverzug mit der Winterstarre zu geraten. Vor allem bei älteren Schildkröten empfiehlt es sich weiterhin, eine Blutuntersuchung einleiten zu lassen, um mögliche Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zeitnah eingreifen zu können. Grundsätzlich gilt, dass kranke, verletzte oder geschwächte Tiere nicht überwintert werden sollen, da sie durch die geänderte Stoffwechselsituation unter Umständen versterben können.
Die Art der Durchführung und die Dauer der Winterstarre richten sich nach der gehaltenen Spezies. Während der Überwinterung sind bei allen Reptilien die benötigten Temperaturen möglichst konstant zu halten. Eine Erhöhung oberhalb des Temperaturoptimums führt zu einer gesteigerten Stoffwechselrate. Die Tiere erscheinen dabei zwar möglicherweise noch inaktiv, verbrauchen aber zu viele Energiereserven. Es sollte wöchentlich überprüft werden, ob die Tiere noch eingegraben beziehungsweise ruhig sind. Etwa einmal pro Monat können die Schildkröten vorsichtig freigelegt, kurz begutachtet sowie gewogen und dann sofort wieder zurückgesetzt werden. Wenn eine Rotfärbung des Panzers erkennbar ist, sollte umgehend der Tierarzt kontaktiert werden. Allgemein gilt, dass Reptilien während der Winterstarre nicht mehr als 10 % an Körpermasse verlieren dürfen. Andernfalls sollte die Ruhe beendet werden.
Nach Ablauf der jeweilig benötigten Überwinterungsdauer muss diese wieder schrittweise ausgeleitet werden. Einige Tage nach Beginn der Ausleitung kann wieder mit der Fütterung begonnen werden. Zur Unterstützung der Verdauung und des Kreislaufs sind warme Wasserbäder günstig. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Vorkehrungen kann es immer mal wieder zu Problemen nach der Winterstarre kommen. Daher müssen unsere Schützlinge auch jetzt gut beobachtet werden. Je eher Symptome erkannt werden, desto schneller kann der Tierarzt eine Therapie einleiten und desto besser ist auch die Prognose. Grundsätzlich gilt, dass ein tierärztlicher Check nach der Winterstarre immer zu empfehlen ist.
Warum wacht mein Reptil nicht richtig auf oder weshalb frisst mein Tier nicht? Es gibt vielerlei Ursachen, die hier in Frage kommen. Da die Winterstarre den Auslöser der Paarungsbereitschaft darstellt, konzentrieren sich einige Reptilien zunächst auf die Partnersuche. So ist vor allem bei männlichen Schlangen häufig eine Nahrungsverweigerung in den Frühlingsmonaten zu beobachten. Sollte aber beispielsweise eine Schildkröte auch einige Tage nach dem Aufwachen noch kein Futter aufnehmen, ist ein Besuch beim Tierarzt anzuraten. Bei der so genannten „posthibernalen Anorexie“ (= Appetitverlust nach Überwinterung) kommt es zu einer Stoffwechselentgleisung, durch die sich Giftstoffe im Körper ansammeln und dadurch die Organe und das Tier schädigen können. Hier ist eine entsprechende Therapie nötig, bis die Tiere wieder Futter aufnehmen und der Stoffwechsel wieder normal ist. Bei allen Spezies ist der Befall mit Endoparasiten eine der Ursachen für schlechtes Aufwachen, vor allem wenn kein Check vor der Winterstarre erfolgt ist. Regelmäßig werden Tiere in der Praxis vorgestellt, die solche Symptome während der Aufwachphase aufzeigen. Die Parasiten können sich während der Winterstarre ungehindert vermehren, da das Immunsystem auf ein Minimum heruntergefahren wurde und daher keine Bekämpfung erfolgt. Sterben die Parasiten dann ab, werden ebenfalls Giftstoffe freigesetzt und es kann letztendlich zu einer Blutvergiftung kommen. Ein frühzeitiges Eingreifen ist hierbei entscheidend. Die beste vorbeugende Maßnahme ist jedoch eine Behandlung der Endoparasitosen noch vor der Winterruhe.
Zusammenfassend gibt es einiges vor, während und nach der Winterstarre zu beachten. Diese entscheidenden Fakten sind nicht zu unterschätzen und müssen jedem vor der Anschaffung eines Reptils bewusst sein. Um den Tieren eine adäquate Haltung gewährleisten zu können, gehört auch die Durchführung einer Winterstarre dazu. Die tierärztliche Betreuung vor und nach der Überwinterung sollte immer in Betracht gezogen werden, um unseren schuppigen Haustieren ein langen Leben zu ermöglichen.
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